Klassenführung
Klassenführung - Wie gelingt gutes Classroom Management?
Was bedeutet Classroom Management?
Classroom Management wird in der deutschsprachigen pädagogischen Diskussion auch als Klassenführung, Klassenorganisation oder Klassenmanagement bezeichnet. Nach Dollase (2012) handelt es sich um die Art und Weise, wie Lehrkräfte mit einer Schulklasse umgehen um das gleichzeitige Lernen einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen so zu ermöglichen, dass jede Schülerin und jeder Schüler vom Unterricht bestmöglich profitiert. Damit findet Klassenorganisation also immer statt und wird durch die Lehrperson bewusst oder unbewusst umgesetzt, indem sie verbal oder nonverbal kommuniziert, ihr Wissen, ihre pädagogische Haltung und ihre Persönlichkeit einbringt, in Beziehung zu den Lernenden tritt und ihnen Aufmerksamkeit schenkt oder nicht.
Das Nachdenken über Klassenführung geht bis an den Beginn der Einführung des allgemeinbildenden Schulwesens zurück und wurde dadurch angeregt, dass es für eine Lehrperson einen großen Unterschied macht, ob sie eine Einzelperson oder eine Gruppe unterrichtet. Zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichen gesellschaftlichen Zusammenhängen dachten Pädagogen, Psychologen, Didaktiker und Methodiker darüber nach, mit welchen Mitteln eine Gruppe erfolgreich unterrichtet werden könne. Wie auch immer sie die Akzente setzten – allen Ansätzen lag die Vorstellung zugrunde, dass es eine Organisationsform (einer Schulklasse) braucht, wenn mehrere Menschen gleichzeitig etwas lernen sollen. Diese Überlegung bedeutet: Klassenmanagement findet immer statt.
Warum ist gutes Classroom Management wichtig?
Nach Helmke (2007) hängen Klassenführung und Unterricht eng zusammen: Wird die Klasse effizient geführt, ist die Unterrichtsqualität meist hoch und der Lernerfolg auch. Diesen Zusammenhang belegt die empirische Unterrichtsforschung seit Beginn der 1990er Jahre: Wang, Haertel und Walberg konnten 1993/1994 nach einer Durchsicht von über 11.000 Studien zu gutem und schlechtem Unterricht zeigen, dass Klassenmanagement unter 28 Merkmalen eines derjenigen war, das am stärksten mit dem Lernerfolg verbunden war. PISA 2003 ließ erkennen: Je besser es Lehrkräften gelang, die verfügbare Zeit als Lernzeit zu organisieren, desto mehr konnten Schülerinnen und Schüler lernen und desto besser war dies für die Leistungsentwicklung. In der von Hattie (2009) durchgeführten Meta-Analyse, der 50.000 Einzeluntersuchungen zugrunde lagen, rangierte die effektive Klassenführung unter den Merkmalen, die die Lernleistung am stärksten beeinflussten.
Wann ist Classroom Management effizient?
Dazu enthält die Literatur einige übereinstimmende Antworten, die sich auch als Kriterien für Unterrichtsqualität verstehen lassen (Meyer 2004):
- Der Unterricht ist motivierend, die Lernenden werden weder über- noch unterfordert, Schülerinnen und Schüler sind aktiv und beteiligt, es gibt wenige Probleme oder Störungen.
- Im Zentrum des Unterrichts steht das Lernen, die Lehrkraft achtet darauf, dass die Lernzeit effektiv genutzt wird.
- Das Lernklima ist durch Unterstützung, Freundlichkeit und gegenseitigen Respekt geprägt, die Lernenden werden aktiviert.
- Kontextfaktoren wie soziale Problemlagen in der Schülerschaft oder ungünstige Lernvoraussetzungen werden bei der Klassenorganisation berücksichtigt.
Forschungsbefunde lassen erkennen, was eine Lehrkraft auszeichnet, die eine Klasse gut managen kann. Sie unterscheidet sich von anderen Lehrkräften in den Bereichen: Professionswissen, Aufstellen und Umsetzen von Regeln, Umgang mit Zeit und Behandeln von Störungen.
Professionswissen – Lehrkräfte, die gute Klassenorganisatoren sind, verfügen über gesichertes Professionswissen. Sie kennen Konzepte und Forschungsbefunde zur Qualität des Unterrichts und zur Klassenführung und sind über deren theoretische Einordnung informiert. Neben der Lehr-Lern-Forschung können sie sich auch auf Kenntnisse aus der Sozialpsychologie und der Lernpsychologie stützen (Wellenreuther 2009, Helmke 2007, Meyer 2004).
Aufstellen und Umsetzen von Regeln – Lehrpersonen, die die Klasse effizient führen, schaffen frühzeitig Ordnung und eine lernförderliche Umgebung durch das Setzen von Regeln, die das soziale Miteinander und das Lern- und Leistungsverhalten betreffen. Sie überwachen und festigen die Regeln und verknüpfen sie mit Ritualen (Eichhorn 2012). Außerdem informieren sie die Eltern und binden diese ein. Lehrpersonen, in deren Klassen regelbasiert gearbeitet wird, werden von den Lernenden stärker geachtet. Außerdem erbringen Lernende höhere fachliche Leistungen (Neuenschwander 2006).
Umgang mit Zeit – Gute Klassenmanager nutzen die verfügbare Zeit effizient und stützen sich auf Prozeduren, Rituale, Symbole und Routinen, um administrative oder andere, nicht unmittelbar zum Unterricht gehörende Aufgaben zu erledigen. Sie gehen geschmeidig, flexibel und zugleich effektiv mit auftretenden Situationen um. Ihr Handeln ist durch Merkmale geprägt, die ihnen dabei helfen, gut mit der verfügbaren Zeit umzugehen. Solche Merkmale wurden bereits 1970 von Kounin beschrieben: Sie wissen Bescheid, d. h. sie können möglichst viele Vorgänge in der Gruppe richtig wahrnehmen. Sie können zwei und mehr Abläufe gleichzeitig steuern. Sie bewahren die thematische Konsequenz, sind entschlossen und haben stets das Unterrichtsziel im Blick. Sie sind in der Lage, Verzögerungen zu vermeiden, die z. B. durch Überproblematisierung entstehen und können Verhaltenseinheiten der Lernenden zerlegen. Und schließlich können solche Lehrkräfte die Gruppe mobilisieren, für Beschäftigung sorgen und Formen der Rechenschaftslegung etablieren (Dollase 2012).
Behandeln von Störungen – Lehrpersonen mit gutem Classroom Management vermindern Störungen durch präventive Maßnahmen (z. B. Regeln). Wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, werden sie auf niedrigem Niveau deeskalierend tätig. Sie erfassen mögliche Quellen und Signale für Störungen oder Fehlverhalten frühzeitig und können reflektiert und angemessen reagieren. Dabei nutzen sie unter Umständen auch sparsame Gesten oder knappe Signale. Hat das Ausmaß der Störung oder des Fehlverhaltens die Akzeptanzschwelle noch nicht überschritten, reagieren gute Klassenmanager nicht, wenn der Unterrichtsfluss nicht unterbrochen werden soll. Oder sie greifen sofort, aber ohne großes Aufsehen ein und unterbinden die Störung (Dollase 2012).
Wie gelingt gutes Classroom Management?
Aus dem bisher Gesagten wird deutlich, was Lehrkräfte beachten sollten, wenn sie ihre Klasse gut organisieren und das Lernen der Kinder und Jugendlichen optimal unterstützen wollen. Sie betrachten das Lernen „mit den Augen der Lernenden“ (Hattie 2009) und ergreifen einige Maßnahmen. Diese lassen sich grob drei Bereichen zuordnen (Wellenreuther 2009):
- Planungsaktivitäten – dazu zählt die Einrichtung einer anregenden und kognitiv aktivierenden Lernumgebung durch die Vorbereitung des Klassenraums, die Unterrichtsplanung, ggf. das Einholen von Informationen über eine (neue) Lerngruppe, Überlegungen zur Einführung von Regeln, ihrer Implementierung und der Ahndung von Regelverstößen.
- Vorbeugende, aktive und nachfolgende Aktivitäten im Unterricht – dazu zählen Reaktionen auf Störungen, die Sicherstellung flüssiger Übergänge zwischen einzelnen Arbeitsphasen im Unterricht, aktivierende Methoden mit denen alle Lernenden einbezogen werden können, die Vermeidung von Leerlauf und Methoden, mit denen einzelne Schülerinnen und Schüler aus Konfliktsituationen herausgenommen werden können.
- Aktivitäten der Nachbereitung und erneuten Vorbereitung – dazu zählen die Ermittlung besonderer Bedürfnisse der Lernenden und die präzise Bestimmung angemessener Fördermaßnahmen, die Suche nach Lösungen für ständig auftretendes problematisches Verhalten und die Umsetzung solcher Lösungen in Zusammenarbeit mit anderen Lehrkräften und / oder mit außerschulischen Fachleuten.
Was hilft bei der Umsetzung guten Classroom Managements?
Wie häufig, wenn eine Neuerung eingeführt werden soll, mag für viele Lehrkräfte eine wirksame Klassenorganisation eine große und komplexe Aufgabe darstellen. Aus der Erfahrung mit der Umsetzung von innovativen Unterrichtsentwicklungsprogrammen in Deutschland seit 1998 (Fischer et al. 2014) lässt sich ableiten, dass die Einführung von etwas Neuem umso eher gelingt, wenn Lehrkräfte nicht auf sich gestellt sind, sondern mit anderen kollegial zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit kann in der Fachgruppe oder im Jahrgangsteam stattfinden. Dort arbeiten die Beteiligten strukturiert und systematisch an einem gemeinsam festgelegten Ziel und überprüfen und reflektieren seine Umsetzung immer wieder. Für einen Einstieg in diesen Prozess eignen sich Zusammenstellungen von empirisch abgesicherten Kriterien für Unterrichtsqualität, wie z. B. der Zehnerkatalog von Meyer (2004) oder das Modell von Helmke (2007).Bewährt haben sich Formen der kollegialen (Fall-)Beratung oder der kollegialen Hospitation. Als wichtig hat sich die Schulleitung erwiesen, die dem Vorhaben positiv gegenüberstehen und für Freiräume sorgen sollte, damit Akteurinnen und Akteure gut vorankommen können.
Literatur:
Dollase, R. (2012). Classroom Management.Reihe: Schulmanagement. Handbuch 142. München: Oldenbourg.
Eichhorn, C. (2012). Classroom-Management. Voraussetzung für guten Unterricht. Die Grundschulzeitschrift 251/2012: 4-7.
Fischer, C., Rieck, K., Döring, B. & Köller, O. (Hrsg.) (2014). Zusammenwirken – zusammen wirken. Unterrichtsentwicklung anstoßen, umsetzen, sichern. Seelze: KlettKallmeyer.
Hattie, J. (2009). Visible learning. A synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement. London: Routledge.
Helmke, A. (2007). Unterrichtsqualität – Erfassen, Bewerten, Verbessern (Neuauflage). Seelze: Klett Kallmeyer.
Meyer, H. (2004). Was ist guter Unterricht? Berlin: Cornelsen Scriptor.
Wang, M. C., Haertel, G. D. & Walberg, H. J. (1994). What helps students learn? Educational Leadership Dec. 1993/Jan. 1994: 74-79.
Wellenreuther, M. (2009). Forschungsbasierte Schulpädagogik. Anleitung zur Nutzung empirischer Forschung für die Unterrichtspraxis. Schneider: Hohengehren.
Redaktionell verantwortlich: Katharina Wucke, SenBJF
Der Bildungsserver Berlin-Brandenburg ist ein Service des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Berlin) und des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport Land Brandenburg.